Sunday, April 4, 2021

Bundesliga 1977 1978 Fc Köln Hamburg Sv

Day 25
11 Febuary 1978
Müngersdorfer Stadion,
Köln

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"Die Früchte meiner Arbeit will Ich in Köln auch ernten." Hennes Welsweiler, mit 58 nicht mehr der Jüngste, hatte das, scheinbar beiläufig, immer wieder einmal gesagt und seinem Arbeitgeber so einen dezenten Hinweis gegeben, daß er nicht das Feld für andere bestellen möchte. Geduld, von seinem früheren Club Borussia Mönchengladbach reichlich gewährt und von Welsweiler mit Erfolgen honoriert, erwartete er auch vom Vorstand des 1. FC Köln. Zumal dieser es an Treuebekundungen nie hatte fehlen lassen, wenn die „Primadonna vom Rhein" im ersten Jahr seiner Tätigkeit noch des öfteren „ihre Migräne bekam". Von den Launen und alten Wehwehchen wollte Weisweiler die Jahr für Jahr hoch gewetteten Geiß-bock-Profis kurieren, doch mit einer Meisterprognose war er sehr vorsichtig. Die Medien und etliche seiner Kollegen waren es ebenfalls. Sie nannten Schalke, HSV, natürlich Borussia Mönchengladbach, Eintracht Frankfurt, Eintracht Braunschwelg und gelegentlich sogar den FC Bayern München als möglichen Champion.

Vor allem dem HSV wurden im voraus Kränze gewunden. Manager Peter Krohn hatte Worten Taten folgen lassen und neben Rudi Gutendorf, dem Paradiesvogel In der deutschen Trainergilde, Englands effektvollsten Stürmer, Kevin Keegan, und Jugoslawiens Natlonalverteidiger Ivan Buljan an die Alster geholt. Eintracht Braunschweig wollte dem Nachbarn im hohen Norden nicht nachstehen und legte sich mit dem Gelde des schnapsproduzierenden Sponsors Günter Mast den eigenwilligen Paul Breitner zu. Schalkes Präsident Dr. Karl-Heinz Hütsch nährte die Titelhoffnungen der vielen Schalke-Fans durch den Kauf des früheren Skandal-Torhüters Volkmar Groß. Und Bayern München schließlich förderte Träume von einer Renaissance durch die Verpflichtungen des Jugoslawen Branko Oblak (vorher Schalke) und des Rheinländers Wolfgang Rausch (Offenbach).
Franz Beckenbauers „Flucht in die Dollarmilllo Fortuna Düsseldorf zog den „Geißböcken" mit 5:1 das Fell kräftig über die Ohren. Doch anders als Kritiker dachten ging die Mannschaft aus diesem Startdebakel nicht als Panik-Orchester, sondern eher als geläuterte Gemeinschaft hervor. Das Düsseldorfer Ereignis, so sieht es Weisweiler im Rückblick, machte es dem Trainer leichter, den Spielern die alten Flausen auszutreiben und sie schon im zweiten Jahre seines Wirkens auf Meisterkurs zu schicken. Daß es letztlich zur Kölner „Frühgeburt" kam, verdanken Trainer und Mannschaft neben gewachsenem Solidaritätsgefühl, besserer Nervenkraft und größerer Formstabilität freilich auch ein bißchen den „Einbrüchen" der Konkurrenz. Am schnellsten kam der HSV vom Erfolgsweg ab. Für Feinfühlige eigentlich schon vor dem ersten Spieltage, und zwar als Manager Krohn („Ich verstehe nicht viel vom Fußball, aber um dieses Spiel zu begreifen, muß man nicht viel verstehen") und Rudi Gutendorf Im Sand von Sylt neckische Taktikspiele trieben und die totale Offensive proklamierten. Nach dem Nasenstüber zum Auftakt in Duisburg, wo Bernard Dletz Im 5:2-Spiel die „mighty mouse" (mächtige Maus) Keegan zum Mäuschen machte, wurden sofort gestörte Beziehungen zwischen Gutendorf und Spielern sichtbar, „Wir spielen ja eins-fünf-fünP' nörgelten Kargus, Kaltz und Nogly an den in die Tat umgesetzten Sandkastenspielen von Sylt herum. Ein paar Monate später war das Gespann Krohn Gutendorf vom Sande verweht. Ein 1:2 zu Hause gegen den späteren Absteiger Saarbrücken und das 0:2 im Lokalderby gegen den Aufstelger FC St. Paull hatten zu einer Krisensitzung geführt, bei der Krohn um Vertragslösung zum 31. Oktober und Gutendorf um Beurlaubung bis zum Jahresende bat. Krohn veranlaßte Schuldgefühl („Die Verpflichtung von Gutendorf war ein Irrtum") Gutendorf  ein Mißtrauensvotum der Spieler, die mit 15:3 gegen eine Weiterbeschäftigung des kurzsichtigen Trainers stimmten, zum freiwilligen Rückzug.

Der Mannschaft bekamen öffentlich ausgetragene Differenzen zwischen dem Manager und dem Trainer so wenig wie das anschließende Spiel um den Nachfolger für den allmächtigen Krohn. Dettmar Cramer und Günther Siebert wurden genannt, Günter Netzer (33) schließlich verpflichtet und damit der Mann geholt, der einst als „schlampiges Genie" (so Jupp Heynckes) und Macher der Europameisterelf von 1972 galt. Mit Netzer wurde nichts besser. Aus Tribünensicht mußte er mitansehen, wie der HSV ohne den gesperrten Keegan - der Liverpooler war im Silvester-Freundschaftsspiel gegen den Lübecker Amateur Preuß tätlich geworden - von einer Niederlage in die andere stolperte. Nach dem 1:6 In Köln wollte sich der neue Manager nicht länger nur um Vereinsblätt-chen und PR-Arbeit kümmern. Erfolglos um Max Merkel als neuen Trainer bemüht, erhielt er vom Vorstand die Befugnis, dem Interimstrainer Arkoc Ozean Ins Handwerk reden zu dürfen. Am Ende stand der HSV mit leeren Händen da, schaffte nicht einmal einen UEFA-Pokalplatz. Dieses Ziel verfehlte mit Schalke 04 ein weiterer Meister-Aspirant. Zunächst ließ sich die Saison gut an, dominierte Königsblau sogar, als In Köln 4:2 gewonnen wurde. Doch der UEFA-Pokal-Knockout gegen den FC Magdeburg wirkte demoralisierend. Ränkespiele In der Kulisse - Ex-Vorsitzender Günther Siebert mobilisierte seine vielen Sympathisanten für die Rückkehr auf den Präsidentenstuhl und zum Sturz des ungeliebten Essener Anwalts Dr. Hütsch -und ein Tralnerwechsel - Friedel Rausch brachte zeitweilige Unterschlagung von Vereinsgeldern 15 000 Mark Strafe durch das Bundesgericht des DFB und den Verlust des Jobs - sowie etliche Dauerpatienten (Helmut und Erwin Kremers, Sobleray und Thiele) und dadurch bedingte Notkäufe (Rltschel, Suurbler, Larsson) beschleunigten den Niedergang der Mannschaft.


Zu allem Unglück kam auch noch Klaus Fischer, der vorübergehend zum neuen „Bomber der Nation" avanciert war, von der Rolle. Aufgebracht über umstrittene Schiedsrichter-Entscheidungen beleidigte er Gerd Meuser aus Ingelhelm nach dem l:2-Splel in Dortmund, entschuldigte sich aber, ehe Hans Kindermann, der DFB-Staatsanwalt, aktiv werden konnte. Eintracht Frankfurt mußte dem hohen Alter und den schwachen Nerven seiner Profis Tribut zahlen, von denen Trainer Gyula Lorant permanent sagte, daß sie die Intelligentesten Spieler In der Bundesllga seien. Das behauptete Dettmar Cramer auch von den Münchner Bayern-Spielern. Doch da Siege in München so selten wurden wie In Frankfurt, entschloß sich der hemdsärmelige Präsident Wilhelm Neudek-ker „mitten Im Strom, die Pferde zu wechseln". Es kam zu einem Trainertausch, der neue Mißtöne In den deutschen Profl-Fußball bringen sollte. Neudecker sicherte sich per Handschlag die Dienste des artverwandten Lorant und ermunterte seinen Frankfurter Kollegen Achaz von Thümen, einen ehemaligen Universitätskanzler, der ein Faible für den Denker Gramer hatte, den Bayerntrainer zu kaufen. Gramer selbst, so wurde kolportiert, habe das anrüchige Geschäft vorgeschlagen. In großer Eile beging Neudecker dabei den Fehler, Gramer fristlos zu kündigen, was den kleinen Mann bewog, eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht anzustrengen: Erfolg: Neudecker mußte noch 125000 Mark herausrücken. Lorant wie Gramer bewirkten an neuer Stätte so gut wie nichts. Unter Lorant wurde die Bayern-Abwehr nicht sicherer und mit Gramer die Frankfurter Eintracht trotz eines erstaunlich starken Jürgen Gra-bowski nicht munterer. Sepp Maier, wenige Tage nach Erhalt des Bundesverdienstkreuzes von einem Düsseldorfer Amtsrichter zu 15 000 Mark Geldstrafe und Entzug der Fahrerlaubnis auf Zeit verurteilt, weil er bei Rot und mit erheblichen Promillen eine Ampel überfahren hatte, kassierte 64 Gegentore. Noch öfter mußten nur die Keeper der Absteiger Saarbrücken und St. Paul! den Ball aus dem Netz holen. Eintracht Braunschwelg schließlich wurde rundweg überschätzt, was durch die zwei 0:6-Niederlagen beim 1. FC Köln und zu Hause gegen Titelverteidiger Borussia Mönchengladbach sowie das 0:5 beim Aufstelger VfB Stuttgart nachdrücklich belegt wurde. Breit-ner war recht häufig der beste Mann und dennoch Gift für die Elf. Zur Mentalität der Braunschwelger Zunftgenossen paßte der rebellische Weltgeist so wenig wie ein Playboy In ein Ordensstift. Der Sturz ins Mittelmaß war bei den ständigen Reibereien nicht aufzuhalten.    

 In die Anonymität drohte zunächst auch Mönchengladbach zu verschwinden, well Jupp Heynckes, den ständige Kniebeschwerden nach einer Operation am Saisonschluß zum Aufhören bewogen, nicht Immer und Uli Stielike, der zu Real Madrid gewechselt war, nicht mehr zur Verfügung standen. Aber als Trainer Lattek schon resignierte (beim Sechs-Punkte-Vorsprung der Kölner am 20. Spieltage: „Der Zug ist für uns abgefahren"), robbten sich die Haudegen vom Niederrhein noch einmal an den Tabellenführer heran, der nach dem 6:2 gegen 1860 München am 29. Oktober die Spitze nicht mehr abgeben sollte. Die Kölner, sichtlich geschockt von der erfolgreichen Aufholdjagd des Rivalen, leisteten sich am 1. April zu Hause ein 0:1 gegen die unter Cramer weiter abgeschafften Frankfurter und gaben den Gladba-chern so Gelegenheit, nach Punkten gleichzuziehen. Eine Woche später bügelte die Elf um den neuen Kapitän Heinz Flohe „den Aprilscherz, über den In Köln keiner lachen konnte" (Kölner Stadtanzeiger) wieder aus und holte mit 2:0 beide Punkte auf dem Betzenberg, wo Siege für die Rheinländer höchsten Seltenheitswert besitzen. Und noch einmal mußte Hennes Weisweiler um den Titel zittern, als Neuling VfB Stuttgart frisch-frech in Müngersdorf auftrumpfte und dem Tabellenführer nur einen glücklichen 2:1-Sieg überließ. Gladbach legte zehn Tage nach dem 0:3 im Europapokal-Semifinale gegen den FC Liverpool alle Kraft in das Spiel beim HSV, gewann 6:2 und vertagte so die Entscheidung auf den letzten Spieltag. Für das Finale versprach Borussia Dortmund, Gladbach im Rheinstadion - weil das Bökelbergsta-dlon umgebaut wurde, war der VfL Borussia umgezogen - einen „heißen Tanz". Doch was sich wirklich auf dem Rasen abspielte, „roch" eher nach Begünstigung oder Nichtwahrnehmung der eigenen Chance. Sechs zu null hieß es zur Pause für Gladbach, und da Köln am Mlllerntor In St. Pauli durch ein Flöhe-Tor nur l :0 vorn lag, schien sich die Waage dem Titelverteidiger zuzuneigen. Die Gladbacher gewannen schließlich 12:0, und Köln wurde dennoch Meister, weil St. Pauli 5:0 geschlagen wurde. So ging die Wels-weller-Elf mit drei Toren Bonus als Erster durchs Ziel. Den 0:12-Verlierer Dortmund knöpften sich der eigene Vorstand und auch Hans Kindermann vor. Doch während der DFB-Ankläger auf dem Verdacht sitzenblieb, schritt der BVB-Vorstand zur Tat: Trainer Otto Rehhagel mußte gehen, die beteiligten Spieler erhielten je 2000 Mark Strafe.
Köln kassierte den Titel, der VfB Stuttgart das meiste Geld. 918055 zahlende Zuschauer, so ermittelte die Deutsche Presse-Agentur (dpa), füllten die Taschen der jungen Spieler um Hansi Müller. Das war ein Durchschnitt von 54 000 Besuchern pro Spiel, was kein anderer Club auch nur annähernd erreichte. Zudem erspielten sich die Schwaben an der Kandare des Welsweiler-Schülers Jürgen Sundermann auf Anhieb einen UEFA-Pokalplatz. Dazu trugen im wesentlichen so glanzvolle Heimsiege wie gegen Köln (3:0), Gladbach (2:0), Schalke (6:1) und Braunschweig (5:0) sowie der sensationelle Auswärtserfolg In Kaiserslautern (4:0) bei. Mit 8 037 912 Zuschauern wurde auch für die Bundesilga Insgesamt ein neuer Rekord gemeldet. Die Leistungen Indes waren eher rückläufig. Von sieben Platzverwelsen (Nationalspieler Rummenigge mußte vom Platz, well er auf die Beleidigung des Löwen-Spielers Hofedltz mit einer Watschn reagiert hatte) hätte einer beinahe einen Prozeß ausgelöst: Der Saar-brücker Lorant ließ durch einen Anwalt prüfen, ob die verbalen Fouls des vom Platz gestellten Kapellmann den „Tatbestand einer öffentlichen Verleumdung" erfüllten. Saarbrücken glaubte sich durch späten Trainerwechsel, 1860 München durch den vorübergehenden Einsatz des zu Cosmos New York abgewanderten Franz Beckenbauer vor dem Abstieg retten zu können. Doch mit Hans Tllkowskl, der für Manfred Krafft kam, nachdem er In Bremen durch das Votum der Spieler zum Rücktritt angeregt worden war, gerieten die Saarländer besonders schnell in den Sog. Und den Plan, mit „Kaiser Franz" über die Runden zu kommen, vereitelte der Fußball-Bund. Der Ligaausschuß lehnte das Ansinnen ab, das Beckenbauer selbst lebhaft unterstützte. Pressesprecher Dr. Gerhardt nannte den Versuch eine „Wettbewerbsverzerrung". So gab es recht bald keine Zweifel mehr, daß die Aufstelger 1860 München und FC St. Pauli gleich wieder absteigen würden. Im Schatten .eines Etablierten - hier Bayern, dort der HSV - vom Spieleraufgebot her kaum konkurrenzfähig, war der Weg den beiden Clubs vorgezeichnet.



FC Köln : Schumacher, Konopka, Gerber, Strack, Zimmermann, Cullmann (78. Slmmei), Flohe. Neumann, van Cool, Müller, Prestln (25. Okudera).
Hamburger SV : Kargus, Buljan, Kaltz, Nogly, Rlpp, Memertng, Zaczyk (67. Berti), Magath, Keller, Relmann (67. Steffenhagen), Volkert.
Goals: 1:0 van Cool (8.), 2:0 Neumann (49.), 3:0 Flohe (55.), 4:0 Strack (58.), 4:1 Volkert (59.), 5:1 van Gool (66.), 6:1 Konopka (89.).







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